Editorial von Dieter Abholte: Wie ich es sehe
Unser Chefredakteur beschäftigt sich heute mit einem Bericht in der „Süddeutsche Zeitung“, in dem eine Autorin Ibiza ziemlich heruntermacht und zum Fazit kommt: „Wer braucht schon Ibiza?“
Liebe Leser,
die eigentlich seriöse Süddeutsche Zeitung veröffentlichte am 11. Juli unter digital „SZplus“ einen großen Artikel über Ibiza. Aufgemacht mit einem schönen Foto der Insel, fragte die Autorin Silke Wichert provokant: Wer braucht schon Ibiza? Die Überschrift ist Programm der Reportage. Die Autorin stellte die Frage, was denn schon Besonderes an Ibiza sei. Sie jedenfalls habe nichts Besonderes gespürt, sondern schon vorher zwei enttäuschende Urlaube auf Ibiza gemacht – und auch der jetzige Dritte habe ihre Meinung über Ibiza nicht geändert.
Beschäftigen wir uns mit den beiden früheren „Enttäuschungen“ der Autorin auf Ibiza. Die erste erlebte sie als Kind in einer eher schäbigen Unterkunft mit ganz viel Langeweile im Norden der Insel (für meine Kinder war übrigens die Insel ein einziger Abenteuerspielplatz). Die zweite Enttäuschung der Schreiberin: Zwei Tage nach ihrer Hochzeit, wo es auf Ibiza nur geregnet habe und sie keine Lust hatte, nach den Hochzeitsfeiern in Clubs zu feiern, denn nur das habe es auf Ibiza gegeben …
Nun zeugt es nicht gerade von geistigem Höhenpflug Ibiza anzulasten, dass ihr Vater eine billige Unterkunft gebucht hatte, oder dass es auf Ibiza geregnet habe. Aber viel schlimmer finde ich, dass der Textchef der Süddeutschen Zeitung solch journalistischen Tiefflug abgesegnet hat. Und auch die jetzige „dritte Enttäuschung“ entsprach dem Schreibmuster der Autorin. Sie war in der Cala Llonga. Wahrscheinlich dort von Hotels oder einem Reiseunternehmen eingeladen – solche Einladungen sind in der Regel kostenfrei und eine PR-Aktion. Denn unter ihrem Bericht standen zwei Hotels in der Cala Llonga als verdeckte Empfehlung und als einziges Restaurant Ca n‘Alfredo in Eivissa. Das war es. Ansonsten: Ibiza langweilig, nichts Besonderes …
Kein Satz von einem Bummel durch die malerischen Gassen von Dalt Vila mit dem Blick auf den Hafen und das Meer. Kein Wort über die große Geschichte Ibizas, mit den Museen. Kein Wort über die fantastischen Sonnenuntergänge im Westen der Insel. Keinen Satz über die malerischen kleinen Orte wie Sant Joan. Keinen Satz über die bunten Volksfeste, die lebendige Musikszene. Ihr Bericht war wie die Titelzeile: „Wer braucht schon Ibiza?“ Ich stelle die Gegenfrage: „Wer braucht schon solche Autoren?“
Sehe ich das jetzt vielleicht durch die rosarote Brille eines Menschen, der die Insel liebt und die Augen vor der Wirklichkeit verschließt? Eher nicht! Denn fast Woche für Woche zeichne ich in meinen Editorials auf, was Ibiza schädigt oder gar zerstört. Dass Menschen, die einst das Image der Insel prägten, Ibiza verlassen haben, weil sie das teure Leben nicht mehr finanzieren konnten. Dass Menschen in Autos oder Zelten schlafen, weil sie die teuren Mieten nicht zahlen können. Dass es auf der Insel in vielen Bereichen nur noch um das schnell verdiente Geld geht. Dass es sehr fragwürdig ist, wenn eigentlich einfache Hotels – ein wenig umgebaut – zu 5-Sterne-Hotels erklärt werden und Restaurants völlig überteuerte Preise verlangen. Wenn die Straßen von dem Massentourismus und den Tausenden Leihwagen verstopft sind. Wenn riesige Kreuzfahrtschiffe im Hafen anlegen und Tausende Touristen die Altstadt überschwemmen. Wenn der Gestank überlasteter Kläranlagen über die Insel zieht. Wenn Hunderte von Yachten vor den Küsten Formenteras oder in der Bucht von Talamanca ankern. Oder die Wälder für den Bau von Villen abgeholzt werden, die nur wenige Wochen im Jahr bewohnt sind.
Die Insel hat weiß Gott große Probleme und die sollten beim Namen genannt werden, gern auch in der „Süddeutsche Zeitung“. Natürlich ist es furchtbar, wenn – wie vor ein paar Tagen – ein PS-Monstrum mit einem Motorrad zusammenstößt und ein Mensch stirbt. Aber, bitte, das kann man Ibiza nicht anlasten. Solch verantwortungslose Raser gibt es überall. In Deutschland läuft gerade der Prozess um eine Autofahrerin (41), die in der 70-er Zone mit 180 km/h in das Auto einer Familie krachte und zwei Kinder starben. Konzentrieren wir uns auf das, was die Insel wirklich in ihrer Einmaligkeit belastet und auch zerstören kann, wenn Politik und Tourismus-Branche nicht zügig auf die Bremse treten. Ich kenne das alles, ich schreibe darüber, ich prangere das an. So wie man auch einem guten Freund die Wahrheit sagen sollte.
Und ich gestehe, ich liebe Ibiza noch immer. Ich liebe all das, was die Autorin der Süddeutschen weder recherchiert noch gesucht hat. Die Chiringuitos am Meer. Die kleinen Orte im Norden. Die Altstadt. Die einmaligen Sonnenuntergänge, das Gemisch der Sprachen. Die Volksfeste und Veranstaltungen, die es jeden Tag gibt. Deshalb lebe ich hier. Wenn ich die Insel so furchtbar finden würde, wie ich es von einigen Lesern in den Kommentaren auf den Bericht in der „Süddeutsche Zeitung“ lese, dann würde ich nicht mehr hier sein – und bestimmt keine IbizaHEUTE machen.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag und der Insel, dass sie ein Stück weit zu ihren Wurzeln zurückkehrt. Aber das wird sich von selbst einstellen, wenn Urlauber nicht mehr kommen, weil sie die hohen Hotelpreise nicht zahlen wollen. Wenn in überteuerten Restaurants die Gäste ausbleiben. Wenn Urlauber andere Ziele suchen, weil Ibiza sich so verändert hat. Wenn Wohnungen leer stehen, weil niemand die Wahnsinns-Mieten zahlen will.
Genießen wir trotzdem den Sommer auf Ibiza und Formentera, mit den über 50 Buchten, dem klarsten Meer-Wasser des Mittelmeeres, mit den lauen Abenden auf der Terrasse oder in den Gassen der Altstadt … Der Sommer auf den Inseln kann wunderbar sein.
Herzlichst, Ihr Dieter Abholte
P.S. Welchen Unsinn Magazine schreiben, zeigt jetzt der Tipp von „falstaff TRAVEL“. Das Magazin empfiehlt tatsächlich „Wandern auf Es Vedrà“. Die Felsen-Insel ist absolutes Naturschutzgebiet und tabu, außerdem kann man dort nicht wandern, sondern höchstens bergklettern, was man aber nicht darf…
Und hier die Ankündigung des Berichtes in der „Süddeutschen“:
Ach ja, und hier die Ankündigung der „Süddeutsche Zeitung“ zum Bericht: