Editorial von Dieter Abholte: Wie ich es sehe…
IbizaHEUTE-Fotograf Rüdiger Eichhorn nahm dieses Foto bei der Osterprozession in Dalt Vila auf.
Der Chefredakteur von IbizaHEUTE schreibt heute über die Ostertradition und die Leichtigkeit des Seins, wenn der Sommer auf Ibiza und Formentera schon zu spüren ist. Dann erlebt man die Inseln besonders intensiv…
Liebe Leser,

Dieter Abholte
mit den festlichen Gottesdiensten beenden Ibiza und Formentera heute die „Semana Santa“, die heilige Osterwoche. Es war eine bewegte Woche, in der die Christen an die Leidensgeschichte und die Kreuzigung Christus erinnerten. Zahlreiche Trauer-Prozessionen zogen durch die Orte der Insel. Ich war in der Karfreitags-Prozession in den jahrhundertealten Gassen in der Festungsstadt als Zuschauer dabei. Wieder war es ein ergreifendes Erlebnis, das Gänsehaut erzeugte.
Die Mitglieder der Bruderschaften, die die tonnenschweren, liebevoll mit Blumen und Lampen geschmückten Heiligenfiguren auf den Schultern durch die Straßen trugen. Dabei auch Frauen und Mädchen.
Die Trauermusik der Trommeln und Fanfaren der Musikgruppen, die den Trauerzug begleiteten. Dazu die vielen Menschen mit ernsten Gesichtern, wenn sie nicht – wie bei den meisten Bruderschaften – mit Gesichtsmasken und den spitzen Hüten vermummt waren.

Eine Mutter bringt ihrer Tochter einen Schluck Wasser, als die schwere Heiligenfigur für wenige Minuten zum Ausruhen abgestellt wird. Foto: MBA
Aber es waren vor allem die kleinen Dinge in der Prozession, die mich berührten: Die Mutter, die ihrer von der Anstrengung gezeichneten Tochter, die die schwere Statue Hl. Maria mit Freundinnen trug, schnell einen Schluck Wasser brachte. Der Gläubige auf seinem Rollstuhl. Die Frau, die den Weg als Büßerin mit nackten Füßen ging. Das kleine Mädchen, schon in der blau-weißen Tracht der Bruderschaft, das an der Hand der vermummten Mutter den weiten Weg der Prozession ging und vertrauensvoll zur Mutter hochblickte…

Das kleine Mädchen geht an der Hand der Mutter den weiten Weg der Prozession und schaut vertrauensvoll zur Mutter hoch – auch wenn sie in der Tracht der Bruderschaft vermummt ist… Foto: MBA
Die Karwoche mit ihren Prozessionen und den heutigen festlichen Gottesdiensten zur – nach christlicher Lehre – Auferstehung Christus gibt einen Einblick in die Seele der Insel und der Menschen. Ist es die tiefe Gläubigkeit, oder ist es die Tradition? Ich denke, es ist vor allem die Tradition, die auch junge Menschen – Frauen wie Männer – die Last der schweren Heiligenfiguren auf ihre Schulter laden.

Auch im Rollstuhl waren Gläubige dabei, die den Weg auf eigenen Füßen nicht mehr schafften. Dahinter die Frau mit Kinderwagen und nackten Füßen als Zeichen der Buße. Foto: MBA
Wie in anderen Ländern Europas hat auch hier die katholische Kirche das große Problem, dass die Kirchen leerer sind. Die Religion hat ihren Einfluss verloren – die Tradition nicht. Sie ist, wie seit Jahrhunderten, Seele und Gesicht der Insel. Mich berührt das tief. Und wir von IbizaHEUTE werden diesen wichtigen Teil der Inseln und ihren Menschen unseren Lesern immer wieder naherbringen. Um Ibiza und Formentera richtig zu verstehen, muss man die Tradition verstehen – und natürlich respektieren. Wir sind nur Gast in dieser wunderbaren Welt, dankbarer Gast…
Ostern hat für mich – ich denke für viele von Ihnen auch – noch eine andere, eine besondere Bedeutung: Das Leben auf Ibiza und Formentera verändert sich vom Winter in den Sommer. Die bunten Strandrestaurants und Chiringuitos heben wieder geöffnet. Man trifft sich dort mit Freunden, manchmal schon zum Frühstück. In den Gassen von Dalt Vila hört man wieder Stimmen aus vielen Ländern. Die Terrassen der Restaurants sind wieder gefüllt. Es ist Fröhlichkeit in der Luft – und schon ein Hauch des unbeschwerten Sommers, der mit jedem Tag näher kommt. Noch ohne die Hitze und die vielen Menschen in der Hochsaison. Der Mai, der jetzt schon vor der Tür steht, ist ein wundervoller Monat, um die Inseln zu erleben und zu genießen. Auch sie zu entdecken.
Das Tal von Es Broll mit dem sprudelnden Bach. Das weite grüne Benimussa-Tal mit den kleinen Wegen, den alten Mauern, dem Duft der Orangenblüten. Der Strand von Benirràs, der noch vom Touristenstrom verschont ist – auch abends, wenn die Trommler beim Sonnenuntergang die Sonne verabschieden. Das alles ist das Ibiza, wie es vor vielen Jahren war, bevor der Strom der Touristen einsetzte. Und so bleibt die Insel auch bis zur Hochsaison.
Wenn Sie den Duft von Insel-Kräutern und Pinien riechen. Wenn am Strand die Sonne im Weinglas funkelt. Wenn die netten Leute vom Nebentisch Ihnen zulächeln. Wenn Sie in einem der kleinen Restaurants in der Altstadt oder im Chiringuito am Strand den Abend zur blauen Stunde genießen. Dann wissen Sie, wovon ich rede.
Ibiza und Formentera sind einfach wundervoll, besonders, wenn der Hauch des nahen Sommers Haut und Seele streichelt. Ich wünsche Ihnen, dass Sie das erleben. Und wenn Sie nicht hier sind, kommen Sie doch für ein paar Tage rüber…